Beim situativen Führungsstil richtet die Führungskraft ihren Führungsstil flexibel und individuell auf die Mitarbeitenden aus. Sie strebt danach, für jede Person und jede spezifische Lage den idealen Führungsansatz aktiv zu ermitteln und einzusetzen.
Situative Führung schafft eine Arbeitsatmosphäre, die langfristig motiviert und sich flexibel an Veränderungen anpasst.
Bei der Anwendung situativer Führung sollten Führungskräfte folgende Aspekte beachten:
- Die aktuellen Umstände oder spezifischen Situationen
- Die individuellen fachlichen Kompetenzen und emotionalen Zustände (Entwicklungsstufen) der Mitarbeiter
Obwohl die Grundlagen des situativen Führungsstils schon in den 1960er Jahren entwickelt wurden, gilt er immer noch als „modern“. In einer Ära, die von kontinuierlichem Wandel, einschneidenden Veränderungen und digitaler Umgestaltung geprägt ist, muss effektive Mitarbeiterführung flexibel und situationsbezogen sein, um entscheidende Ziele wie Mitarbeitermotivation und Steigerung der Leistungsfähigkeit zu erreichen. Die Vorstellung, dass ein unveränderlicher, starrer Führungsstil in solch einem dynamischen Umfeld erfolgreich sein könnte, ist überholt.
Situatives Führen nach Hersey & Blanchard
Situatives Führen nach Hersey & Blanchard bildet einen Eckpfeiler in der modernen Managementlehre, indem es den Fokus auf den individuellen Reifegrad der Mitarbeiter legt. Diese innovative Herangehensweise, erstmals 1977 vorgestellt, unterstreicht die Notwendigkeit, Führungsstile dynamisch an den Entwicklungsstand jedes Einzelnen anzupassen. Hersey und Blanchard identifizieren vier grundlegende Reifestufen - von geringer bis hoher Reife - die bestimmen, wie viel Anleitung und Unterstützung ein Mitarbeiter benötigt.
Aufgabenorientierung und Personenorientierung
Im Zentrum des situativen Führungsstils steht die Balance zwischen Aufgabenorientierung und Personenorientierung, die je nach Situation flexibel gehandhabt wird. Diese dualen Orientierungen ermöglichen es Führungskräften, effektiv auf die vielfältigen Anforderungen ihrer Teams und der individuellen Mitarbeiter einzugehen.
Aufgabenorientierung
- Aufgabenorientierung fokussiert sich auf die Definition und Zuweisung von Aufgaben, das Setzen von klaren Zielen und die Überwachung der Leistung, um sicherzustellen, dass Projekte effizient und fristgerecht abgeschlossen werden.
- Hierbei wird Wert auf Struktur, Prozesse und Ergebnisse gelegt.
Personenorientierung
- Im Gegensatz dazu betont die Personenorientierung die Bedeutung der zwischenmenschlichen Beziehungen, die emotionale Intelligenz und das Einfühlungsvermögen der Führungskraft.
- Dies beinhaltet das aktive Zuhören, persönliches Feedback, die Förderung von Teamgeist und das Anerkennen von Leistungen.
- Personenorientierte Führung zielt darauf ab, ein unterstützendes Umfeld zu schaffen, das Mitarbeiter motiviert, sich weiterzuentwickeln und Verantwortung zu übernehmen.
Eine effektive Führungskraft im situativen Führungsstil erkennt, dass Mitarbeiter unterschiedliche Grade an Fachkompetenz und persönlich-emotionaler Reife aufweisen können, was jeweils unterschiedliche Führungsansätze erfordert. Die Kunst liegt darin, das richtige Gleichgewicht zu finden und den Führungsstil flexibel an den jeweiligen Kontext anzupassen – eine Herausforderung, die ein hohes Maß an Anpassungsfähigkeit, Beobachtungsgabe und Kommunikationsfähigkeit erfordert. Durch diese dynamische Anpassung des Führungsverhaltens wird nicht nur die Leistungsfähigkeit des Teams maximiert, sondern auch eine hohe Mitarbeiterzufriedenheit und Bindung an das Unternehmen gefördert.
4 Stufen der Mitarbeiterentwicklung im situativen Führungsstil
Der situative Führungsstil unterstreicht die Notwendigkeit einer flexiblen Führung, die sich am Entwicklungsstand des Mitarbeiters orientiert. Aus diesem Ansatz ergeben sich vier entscheidende Stufen der Mitarbeiterführung: „Telling“, „Selling“, „Participating“ und „Delegating“. Diese Stufen spiegeln den jeweiligen Reifegrad des Mitarbeiters wider und definieren, wie Führungskräfte ihre Unterstützung und Anleitung anpassen sollten.
1. „Telling“ – Anweisend
Auf der ersten Stufe, dem „Telling“, befinden sich Mitarbeiter in einem Anfangsstadium ihrer Entwicklung, wo sie weder das erforderliche Wissen noch die Motivation besitzen, Aufgaben selbstständig zu erledigen.
- Hier ist eine hohe Aufgabenorientierung erforderlich: Führungskräfte müssen klare Anweisungen geben und die Arbeit eng kontrollieren.
- Dieser Ansatz hilft Mitarbeitern, Vertrauen in ihre Fähigkeiten zu entwickeln und grundlegendes Wissen aufzubauen.
2. „Selling“ – Überzeugend
Mit fortschreitender Entwicklung, auf der Stufe „Selling“, haben die Mitarbeiter bereits ein grundlegendes Verständnis und zeigen Interesse an mehr Selbstständigkeit, doch es mangelt ihnen noch an vollständiger Kompetenz.
- Hier kombiniert der Führungsstil klare Anweisungen mit motivierendem Feedback und persönlicher Unterstützung, um Mitarbeiter nicht nur anzuleiten, sondern sie auch in ihrer Entwicklung zu bestärken.
3. „Participating“ – Teilhabend
Die dritte Stufe, „Participating“, ist gekennzeichnet durch Mitarbeiter, die bereits viele Aufgaben selbstständig bewältigen können, jedoch in bestimmten Bereichen, wie dem Selbstvertrauen oder spezifischem Fachwissen, Unterstützung benötigen.
- Führungskräfte sollten hier weniger aufgabenorientiert und mehr beziehungsorientiert agieren, indem sie die Mitarbeiter in Entscheidungsprozesse einbinden und verstärkt auf ihre Bedürfnisse und Anregungen eingehen.
4. „Delegating“ – Delegierend
Auf der höchsten Entwicklungsstufe, „Delegating“, verfügen Mitarbeiter über das nötige Wissen, die Motivation und die Fähigkeit, Aufgaben eigenverantwortlich zu lösen.
- Führungskräfte sollten in dieser Phase Verantwortung delegieren und den Mitarbeitern ausreichend Freiraum für die selbstständige Arbeit lassen.
- Dies fördert die Eigeninitiative und stärkt das Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten.
In jeder dieser Stufen ist es essenziell, dass Führungskräfte die individuellen Bedürfnisse ihrer Mitarbeiter erkennen und ihren Führungsstil entsprechend anpassen, um eine optimale Entwicklung und hohe Motivation zu gewährleisten.
Wie die Ermittlung des Reifegrads hilft
Der Reifegrad eines Mitarbeiters ist eine zentrale Komponente im situativen Führungsstil, der eine maßgeschneiderte Herangehensweise in der Mitarbeiterführung ermöglicht. Um diesen effektiv zu bestimmen, ist es essentiell, sowohl die fachlichen als auch die persönlichen Kompetenzen des Mitarbeiters zu evaluieren. Hierbei helfen spezifische Fragen, die ein differenziertes Bild des Mitarbeiters zeichnen und die Grundlage für eine angepasste Führungsstrategie bilden.
Fragen zur Bestimmung des Reifegrads
- Fachkompetenz und Erfahrung: Welches Fachwissen besitzt der Mitarbeiter und wie einschlägig sind seine beruflichen Erfahrungen? Die Beurteilung der fachlichen Kompetenz ist fundamental, um die Selbstständigkeit und die benötigte Anleitung einzuschätzen.
- Weiterentwicklung und Lernbereitschaft: Wie aktiv entwickelt der Mitarbeiter seine Kenntnisse weiter und zeigt Initiative zur Übernahme von Verantwortung? Ein Mitarbeiter, der stetig bestrebt ist, sich weiterzubilden und zusätzliche Aufgaben zu übernehmen, weist einen höheren Reifegrad auf.
- Motivation und Engagement: Wie motiviert ist der Mitarbeiter und inwiefern engagiert er sich über das geforderte Maß hinaus? Die intrinsische Motivation ist ein Indikator für den Willen zur Selbstverbesserung und zur Übernahme von mehr Verantwortung.
- Umgang mit Kritik und Fehlern: Wie reagiert der Mitarbeiter auf konstruktive Kritik und wie geht er mit Fehlern um? Ein hoher Reifegrad äußert sich durch die Fähigkeit, aus Feedback zu lernen und Fehler als Entwicklungschance zu begreifen.
Anwendung der Erkenntnisse in der Führungspraxis
Die Beantwortung dieser Fragen ermöglicht es Führungskräften, den Reifegrad ihrer Mitarbeiter präzise zu bestimmen und darauf basierend den optimalen Führungsstil zu wählen. Dies kann von direkter Anleitung bei geringerem Reifegrad bis hin zur Delegation von Verantwortung bei hohem Reifegrad variieren. Eine genaue Einschätzung fördert nicht nur die persönliche Entwicklung des Mitarbeiters, sondern steigert auch die Gesamtproduktivität und Zufriedenheit im Team.
Vorteile und Nachteile
Der situative Führungsstil zeichnet sich durch seine Anpassungsfähigkeit an die individuellen Bedürfnisse der Mitarbeiter und die spezifischen Anforderungen der Situation aus. Diese Flexibilität ermöglicht es Führungskräften, ihre Teams effektiver zu leiten, indem sie ihren Führungsstil basierend auf dem Reifegrad und den Fähigkeiten ihrer Mitarbeiter variieren.
Vorteile | Herausforderungen und Nachteile |
---|---|
Individuelle Förderung: Mitarbeiter werden gemäß ihrer persönlichen Stärken und Entwicklungspotenziale gefördert, was zu einer höheren Motivation und Selbstvertrauen führt. | Unsicherheit bei Mitarbeitern: Der Wechsel zwischen verschiedenen Führungsansätzen kann bei einigen Mitarbeitern zu Unsicherheiten führen, insbesondere wenn sie nicht wissen, was in unterschiedlichen Situationen von ihnen erwartet wird. |
Steigerung der Produktivität: Durch die gezielte Ansprache und Nutzung der individuellen Fähigkeiten kann die Produktivität der Teams deutlich gesteigert werden. | Hoher Anspruch an Führungskräfte: Der situative Führungsstil setzt voraus, dass Führungskräfte in der Lage sind, den Reifegrad ihrer Mitarbeiter korrekt einzuschätzen und den passenden Führungsstil anzuwenden, was eine hohe soziale Kompetenz und Flexibilität erfordert. |
Hohe Flexibilität: Der situative Führungsstil erlaubt schnelles und effektives Reagieren auf Veränderungen, was ihn besonders für dynamische und komplexe Arbeitsumgebungen wertvoll macht. | Risiko der Zielverfehlung: Die Konzentration auf kurzfristige Anpassungen und individuelle Bedürfnisse kann dazu führen, dass langfristige Ziele und die Gesamtstrategie aus dem Blick verloren werden. |
Wertschätzung der Mitarbeiter: Die individuelle Betrachtung und Führung jedes Einzelnen vermittelt den Mitarbeitern ein Gefühl der Wertschätzung und Anerkennung. | Fehlende empirische Validität: Die Vielseitigkeit und Anpassungsfähigkeit des situativen Führungsstils erschweren es, seine Wirksamkeit wissenschaftlich zu messen und zu validieren. |
Der situative Führungsstil im Vergleich mit anderen Führungsansätzen
Der situative Führungsstil stellt eine flexible und dynamische Herangehensweise an die Führung dar, die sich von traditionelleren Führungsstilen abhebt, indem sie die individuellen Bedürfnisse der Mitarbeiter und die spezifischen Anforderungen der Situation in den Mittelpunkt stellt. Dieser Ansatz unterscheidet sich grundlegend von anderen, stärker festgelegten Führungsstilen, indem er eine Vielzahl von Führungsmethoden integriert und situativ anwendet.
Vergleich mit traditionellen Führungsstilen
- Autoritärer Führungsstil: Charakterisiert durch strikte Hierarchien und eindeutige Anweisungen. Der situative Führungsstil unterscheidet sich dadurch, dass er Flexibilität und Anpassungsfähigkeit betont, anstatt starrer Befehle und Kontrollen.
- Kooperativer Führungsstil: Ähnlich dem situativen Ansatz, fördert der kooperative Führungsstil die Zusammenarbeit und die Beteiligung der Mitarbeiter an Entscheidungsprozessen. Der situative Führungsstil geht jedoch noch einen Schritt weiter, indem er die Führungsmethode basierend auf dem Reifegrad der Mitarbeiter anpasst.
- Laissez-faire-Führungsstil: Gewährt den Mitarbeitern viel Freiraum und Selbstständigkeit. Im Gegensatz dazu sorgt der situative Führungsstil für eine ausgewogene Mischung aus Autonomie und Führung, abhängig von den spezifischen Bedürfnissen und der Situation.
Siehe hierzu unseren ausführlichen Artikel Führungsstile – Übersicht und Beispiele.
Einzigartigkeit des situativen Führungsstils
Der situative Führungsstil zeichnet sich durch seine Flexibilität und Anpassungsfähigkeit aus, die es Führungskräften ermöglichen, aus dem breiten Spektrum traditioneller Führungsstile zu schöpfen und den jeweils passendsten Ansatz für die gegebene Situation und den Entwicklungsstand des Mitarbeiters auszuwählen. Dieser Ansatz ist nicht auf einen einzigen Führungsstil festgelegt, sondern kombiniert Elemente aus verschiedenen Stilen, um die Effektivität der Führung zu maximieren.
Fazit: Situative Führung ist moderne Führung
Während traditionelle Führungsstile oft eine einheitliche Herangehensweise an die Führung vorschreiben, bietet der situative Führungsstil einen dynamischen Rahmen, der es Führungskräften ermöglicht, ihre Methoden an die individuellen und sich ändernden Bedürfnisse ihrer Teams anzupassen. Dieser Ansatz erfordert ein hohes Maß an sozialer Kompetenz, Empathie und situativem Bewusstsein von der Führungskraft, um effektiv zu sein. In einem sich schnell wandelnden Arbeitsumfeld bietet der situative Führungsstil eine flexible und effektive Lösung, um die Bedürfnisse der Mitarbeiter zu erfüllen und die Teamleistung zu optimieren.
BEGRIFFSKLÄRUNGEN IM GLOSSAR
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LITERATUR
- F. E. Fiedler: A Theory of Leadership Effectiveness. New York 1967.
- P. Hersey, K. Blanchard: Management of Organizational Behavior. 4. Auflage. Prentice-Hall, New Jersey 1982
LINKS ZUM THEMA
- Seite „Führungsstil“. In: Wikipedia – Die freie Enzyklopädie. Bearbeitungsstand: 8. August 2023, 13:00 UTC. URL: https://de.wikipedia.org/w/index.php?title=F%C3%BChrungsstil&oldid=236228764 (Abgerufen: 5. Februar 2024, 20:24 UTC)
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Verfasst von Thomas Löding, zuletzt aktualisiert am 18. Februar 2024